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Alle lieben Tiere, doch was sind sie uns wert?

Veröffentlicht am 13.03.2021

Auf die Frage „Lieben Sie Tiere?“ wird wohl kaum einer mit „Nein“ antworten. Auch bei Umfragen, die unsere Nutztiere betreffen, lautet die gängige Aussage der Verbraucher, dass Sie gerne für eine artgerechte Haltung und mehr Tierwohl tiefer in die Tasche greifen würden.

Die Zahlen der Supermarktketten sprechen leider eine ganz andere Sprache – nur ein geringer Prozentsatz, nämlich deutlich unter 10% der Kunden erinnern sich an der Ladentheke noch an ihre Aussage und das Tier, das nun in kleinen Portionen verpackt im Regal liegt. Die meisten greifen immer noch zu Billigfleisch, obwohl es allen klar sein muss, dass zu diesem Preis kein Tierwohl und keine artgerechte Haltung möglich ist.

Der Handel konstatiert: Den Verbrauchern sei der Tierschutz beim Einkauf ziemlich egal. Dies sei auch der Grund, warum in den Theken überwiegend Fleisch der Haltungsform 1 und 2 zu finden sei. Schließlich würde man sich nichts ins Regal legen, was sowieso nicht verkauft wird.

Ist uns also die Geiz-ist-geil-Mentalität immer noch wichtiger als das Tierwohl?

Seit einem Jahr haben Aldi, Lidl, Edeka, Netto, Penny, Kaufland und REWE ein Siegel eingeführt, das Auskunft über die Haltungsform gibt. Es ermöglicht den Verbrauchern mehr Transparenz beim Einkauf. Das Siegel ordnet Fleisch- und Wurstwaren in 4 Kategorien ein:

Haltungsform 1:   Stallhaltung unter gesetzlichen Mindeststandards, z.B. beträgt die erforderliche Größe bei einem 110 kg Mastschwein gerade mal 0,75qm!

Haltungsform 2:   Stallhaltung mit 10% mehr Platz und Beschäftigungsmaterial z.B. ein Stück Holz zum Spielen

Haltungsform 3:   Stallhaltung mit 40% mehr Platz, Licht und Frischluftzufuhr und mehr Beschäftigungsmaterial

Haltungsform 4/ Bio:   Stallhaltung mit 100% mehr Platz, Tiere haben ständigen Zugang zum Freien oder Weidehaltung, Einstreu mit Stroh, zusätzliche Beschäftigungsmöglichkeiten, bei Bio: kein gentechnisch verändertes Futter z.B. Soja, keine Antibiotika.

Das Verbraucherverhalten ist nur eine Seite der Medaille, die andere ist das große Angebot von Billigfleisch im Supermarkt. Jede Woche werben die Prospekte mit Knallerpreisen für Fleisch und Wurst in sogenannter Premiumqualität.

Ein Widerspruch in sich, denn wer Billigfleisch beim Discounter kauft, unterstützt damit ein krankes System, das nichts mit Premiumqualität und schon gar nichts mit Tierwohl zu tun hat. Diese Dumpingpreise sind nur möglich, wenn Landwirte schlecht bezahlt werden und viele Tiere auf möglichst kleinem Raum in kürzester Zeit die Schlachtreife erreichen. Das erfordert einen hohen Einsatz an billigem Futtermittel und Antibiotika, die nebenbei auch noch als Wachstumsbeschleuniger eingesetzt werden.

Diese Tierhaltung erzeugt Stress, Aggressionen, Verletzungen und Krankheiten bei den Tieren, die bei einer artgerechten Haltung gar nicht auftreten würden. Was viele nicht wissen – jedes vierte Tier, das geschlachtet wird und dann bei uns auf dem Teller landet, ist verletzt oder krank, wenn es nicht schon vorher verendet ist.

Eigentlich müsste all das laut geltendem Tierschutzgesetz schon längst Geschichte sein, doch weder von Seiten der Landwirte noch von Seiten der Politik ist man willig, die nötigen Veränderungen in der Nutztierhaltung umzusetzen. Im Durchschnitt betritt in ganzen 15 Jahren einmal ein Veterinär den Bauernhof zur Sichtkontrolle, bei offensichtlichen Verstößen gegen den Tierschutz gibt es Verwarnungen und lächerliche Geldstrafen. Nur wenn wieder einmal Tierrechtler einen Tierschutz-Skandal aufdecken, wird im äußersten Fall ein Tierhaltungsverbot ausgesprochen.

Aber nicht nur den Tieren geht es schlecht.

Infolge des gnadenlosen Verdrängungswettbewerbs der Supermarktketten unterbieten sich die Konkurrenten in einer ruinösen Abwärtsspirale. Die Einkäufer von Aldi, Lidl, REWE, Edeka etc. diktieren den Bauern die Fleischpreise, die sich am Weltmarkt orientieren. In den letzten Monaten sank dieser durch ein Überangebot an Schweinefleisch um satte 40%.

Das bringt die Landwirte an den Rand des Existenzminimums oder zwingt sie zum Aufgeben. Die Folge ist ein Höfesterben der kleinen und mittelständigen Betriebe zugunsten der industriellen Massentierhaltung. Da das Landwirtschaftsministerium sich weigert, dem Handel vernünftige Grenzen zu setzen und Mindestpreise festzulegen, sehen sich die Bauern zu Recht von der Politik alleingelassen.

So kann und darf es einfach nicht weitergehen!

Tiere sind leidensfähige Wesen. Wollen wir ihre Produkte wie Eier, Milch und Fleisch nutzen, schulden wir ihnen eine artgerechte Haltung, die ihnen ein Leben möglichst frei von Schmerzen, Leid und körperlichen Schäden ermöglicht.

Wir brauchen eine Politik, die sich für das Wohl von Mensch und Tier einsetzt und sich nicht für einseitige Wirtschaftsinteressen benutzen lässt.

Wir brauchen ein faires System, das die Leistung der Bauern wertschätzt, überprüft und gerecht entlohnt.

Wir brauchen menschenwürdige Arbeitsbedingungen in der Landwirtschaft und in den Schlachtbetrieben.

Und nicht zuletzt eine artgerechte Nutztierhaltung bei der Gesundheit und Tierwohl im Mittelpunkt stehen.

Und was können wir selbst tun?

Die Macht des Geldbeutels nutzen - Billigangebote meiden und im Supermarkt gezielt Produkte aus der Haltungsform 3 und 4 wählen.

Fleisch und Wurst direkt vom Bauern aus der Region kaufen, zu finden unter:

 www.mein-bauernhof.de

Möglichst selbst kochen und bewusst auf Fastfood verzichten.

In der Kantine, Mensa oder im Restaurant nachfragen, aus welcher Haltung die verarbeiteten Tiere kommen und wenn das unklar ist, eine vegetarische Alternative wählen.